Bekommt Jamaika jetzt eine Chance?
Die Kanzlerin zieht sich zurück, und alles scheint plötzlich möglich.
Das war schon eine Hammermeldung in den letzten Tagen, als Angela Merkel als Konsequenz aus den desaströsen Wahlen in Bayern und Hessen ihren allmählichen Rückzug aus der Politik bekannt gab, natürlich ebenso nebensächlich vorgetragen wie viele ihrer einsamen Entscheidungen.
Merkel Rücktritt
Angela Merkel tritt zurück, zwar nicht von heute auf morgen, und zunächst auch erst einmal nur als CDU-Chefin, doch ist das die Nachricht, auf die viele in den letzten Jahren gewartet haben. Auch wenn das Ziel nun greifbar nahe ist, denn das Merkel als Kanzlerin noch bis zum Ende der Legislatur halten kann, glaubt wohl nicht mal sie selbst, so sind doch die Beweggründe höchst unterschiedlich, warum viele Menschen in Deutschland das Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel herbeigesehnt haben.#
Kaum jemand erinnert sich wohl noch, wie Merkel 2005 überhaupt ins Amt kam. Bereits damals legte die CDU/CSU bei der vorgezogenen Bundestagswahl eine ordentliche Baulandung hin, minus 3,3 Prozent Stimmenanteil gegenüber der letzten Wahl. Doch die SPD unter dem damaligen Kanzler Schröder war mit minus 4,3 Prozentpunkten noch schlechter und so kam es zu einer Pattsituation. Weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb verfügte über die erforderliche Mehrheit. Denkbar war nur eine große Koalition aus Union und SPD. Die Chance zu einer linken Mehrheit von Rot-Rot-Grün ließen die Sozialdemokraten ungenutzt verstreichen. Lieber opferten sie ihren eigenen Kanzler und wählten Angela Merkel zur neuen Kanzlerin. Die Wähler rieben sich verwundert und verärgert die Augen, wurde der Bundestagswahlkampf 2005 doch zu einem regelrechten Lagerkampf aufgebaut. Links gegen Rechts, und „die (Merkel) kann nicht Kanzler“ waren die Hauptinhalte. Nach der Wahl wollten die SPD-Oberen, wie Müntefering und Co. davon nichts mehr wissen und turtelten Handküsschen gebend mit Merkel im Kanzleramt. Das haben viele Wähler nicht verstanden und wandten sich deshalb von der SPD ab, und wünschten sich das schnelle Ende der Kanzlerschaft Merkel.
Die SPD hat sich davon bis heute nicht erholt, zumal sie den Fehler der Bildung einer großen Koalition auch noch zweimal wiederholte. Der Ritt in die Bedeutungslosigkeit wird solange anhalten, wie die SPD sich zum Steigbügelhalter der neoliberalen Politik der Union machen lässt. Der letzte SPD-Kanzlerkandidat und SPD-Chef Martin Schulz hatte das richtig erkannt, auch deshalb wurde er nach der Wahl schnell entmachtet und politisch bedeutungslos.
Neben diesen Wählern, die bereits seit 2005 auf das Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel warten, haben sich in den letzten Jahren Menschen gesellt, die ganz andere Beweggründe haben. Denen geht es hauptsächlich um die Frage der Flüchtlinge. Und da wird es kurios, denn ausgerechnet als Angela Merkel – entgegen der vielen politischen und sozialpolitischen Fehler – einmal wirklich Stellung und etwas richtig gemacht hat, nämlich das drängende Problem der Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in Syrien aufzunehmen und Obhut zugeben, wenden sich viele Wähler, die früher Merkel praktisch blind und gegen eigene Interessen gewählt haben, von ihr ab und rufen: „Merkel muss weg!“. In der „Flüchtlingskrise“ hatte Merkel somit vor allem ei den alten Kritikern ihre meisten Befürworter.
Merkels Nachfolger
Nun ist es allerdings soweit, das Merkel sich im Dezember geordnet vom CDU-Vorsitz zurückzieht, und der Abschied aus dem Kanzleramt dürfte damit nur noch kurze Zeit entfernt sein. Kaum war diese Meldung raus, offenbar kannten nur die wirklich engsten Vertrauten den Entschluss Merkels vorher, schon kommen die Karrieristen aus ihren Verstecken. Jens Spahn, Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz sind derzeit wohl die bekanntesten Anwärter auf den CDU-Vorsitz. Doch es würde nicht verwundern, wenn sich auch Lothar Matthäus bewerben würde, erinnerten die Stunden nach der Bekanntgabe der Rücktrittentscheidung von Merkel doch sehr an die Suche eines Nachfolger für …wetten, dass? im ZDF. Alle möglichen und unmöglichen Namen wurden plötzlich gehandelt.
Man darf gespannt sein, wer sich am Ende durchbeißen wird und mit welchen fairen bzw. nicht so fairen Mitteln er oder sie in die Chefetage im Konrad-Adenauer-Haus einziehen wird. Das wird so oder so tiefe Spuren bei der CDU hinterlassen.
Gibt es Neuwahlen?
Neben der Entscheidung, wer künftig die Christdemokraten führen wird, ist der Blick auf die weitere Bundesregierung allerdings von viel größerer Bedeutung für die Menschen in Deutschland. Und da wird sich in den kommenden Monaten sicher viel bewegen. Merkel wird sich nicht lange im Amt halten können, das hat sie nach der Bundestagswahl im Jahr 2005 gelernt. Genauso wie Schröder damals von seiner Partei nach kurzer Zeit abgesägt wurde, als er den Posten des SPD-Chefs abgeben musste, so wird auch sie nicht lange als Kanzlerin überleben können, nachdem sie nicht mehr CDU-Chefin sein wird.
Doch was kommt dann? Möglich wäre eine vorgezogene Bundestagswahl. Doch davon würden wohl derzeit nur Grüne, FDP und AfD profitieren. Die AfD wohl am meisten, so befürchten es zumindest die anderen Parteien. Dabei bekommen Rechtspopulisten mit dem Abgang von Merkel ein echtes Problem. Ihre beiden einzigen Themen haben sich in Luft aufgelöst. Merkel ist weg und Flüchtlinge kommen derzeit fast gar nicht mehr nach Deutschland. Für den Wähler gibt es also keinen Grund mehr, die AfD zu wählen.
Wie viel Stimmen die AfD trotzdem noch bekommen würden,bleibt jedoch Spekulation. Und darauf können CDU, CSU und SPD nach den erdrutschartigen Stimmverlusten in Bayern und Hessen überhaupt nicht bauen. Deshalb scheuen sie Neuwahlen wieder Teufel das Weihwasser.
Hat Jamaika wieder eine Chance?
Doch es gibt noch eine andere Variante, wie sich die Politik und Bundesregierung dramatisch ändern könnte, ganz ohne Neuwahlen. Und die heißt Jamaika Koalition. Genau die Konstellation, die die FDP bei den Sondierungen nach der letzten Bundestagswahl platzen ließ. Jetzt allerdings gibt es einen großen Unterschied zum Herbst 2017: Angela Merkel ist entmachtet. Die größte Feindin von FDP-Chef Lindner – so hat man jedenfalls den Eindruck- spielt bei der Bildung einer neuen Regierung keine Rolle mehr. Deshalb ist die Bildung einer Koalition aus CDU, Grüne und FDP wieder möglich geworden.
Doch wie soll da gehen, ohne Neuwahlen?
Ganz einfach. Man erinnere sich an Kanzler Helmut Schmidt (SPD), der wurde 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt und durch den neugewählten Kanzler Helmut Kohl (CDU) ersetzt. So könnte das wieder laufen:
- Die Abgeordneten stellen im Bundestag einen Misstrauensantrag gegen Merkel und lassen Merkel durchfallen.
- Damit wäre die Groko am Ende und die Kanzlerschaft von Angela Merkel beendet.
- Auch SPD-Chefin Nahles und CSU-Chef Horst Seehofer wären damit wohl endgültig Geschichte
- Dann wählen die Abgeordneten von CDU, CSU, FDP und Grüne einen neuen Kanzler, der eine Jamaika Koalition anführt
- Deutschland hätte eine neue Regierung ganz ohne Neuwahlen
Ob das alles so kommen wird, hängt ganz stark davon ab, welchen neuen Chef sich die Christdemokraten geben. Kann die FDP mit diesem neuen CDU-Chef, dann ist das obige Szenario mehr als nur denkbar.
An den Grünen wird es jedenfalls nicht scheitern. Die gieren seit Jahren nach der Macht, und haben darüber hinaus ihr Profil und viele ihrer alten Wähler vergessen. Schon bei den ersten Jamaika Sondierungen waren die Grünen bereit, so ziemlich alle roten Linien zu übertreten, wenn sie nur in der Regierung mitspielen dürfen. Das wird diesmal nicht anders sein.
Fazit
Es dürfte nach Weihnachten* und dem Jahreswechsel äußerst turbulent in Berlin zugehen. Merkels Zeit als Kanzlerin läuft ab und die Bildung einer neuen Bundesregierung liegt in der Luft. Bleiben wir gespannt und aufmerksam.
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- Kemfert, Claudia (Autor)
[Letzte Aktualisierung am 26.09.2024 um 23:08 Uhr / * = werbender Link (Affiliate) / Bilder von der Amazon Product Advertising API]