Gabriels Abgang

Basisdemokratie ist in der SPD ein Fremdwort.

Heute findet die SPD Minister-Rochade innerhalb der Bundesregierung statt. Noch-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wird seinen Posten aufgeben und stattdessen ins Auswärtige Amt wechseln. Gabriel, bekannt für seine emotionalen Ausbrüche, wird damit Chefdiplomat der Bundesrepublik.

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Brigitte Zypries folgt ihm im Wirtschaftsministerium nach. Sie ist dort derzeit Parlamentarische Staatssekretärin und wird nun Chefin. Als Ministerin hat sie bereits Erfahrung. Von 2002 bis 2009 war sie Bundesministerin der Justiz, sollte sich also mit dem Geschäft gut auskennen und ist an sich keine schlechte Wahl. Die Fußstapfen, die Gabriel im Wirtschaftsministerium hinterläßt, sind ja auch nicht besonders groß.

Der Ministerwechsel wird heute mit Segen des Bundestages und Bundespräsidenten über die politische Bühne gehen.

Für den bisherigen Außenminister Steinmeier tat sich bereits vor einiger Zeit eine neue Verwendung auf. Steinmeier wird als gemeinsamer Kandidat der Großen Koalition am 12. Februar 2017 – voraussichtlich ohne Probleme – zum neuen Bundespräsidenten gewählt werden.

Kanzlerkandidat

Insofern ist für alle gesorgt und doch bleibt ein schaler Nachgeschmack, denn sein künftiger Amtssitz ist nicht die einzige Änderung, die Gabriel in dieser Woche verkündete. Gabriel erklärte auch seinen Verzicht auf das inoffizielle Amt des Kanzlerkandidaten und auch auf das Amt des SPD-Parteivorsitzenden. Statt seiner soll nun Martin Schulz in den Bundestagswahlkampf ziehen und im Herbst dieses Jahres möglichst Kanzlerin Merkel im Amt ablösen. SPD-Chef soll er auch werden.

Übergangene Parteibasis

Diese Nachricht war sowohl inhaltlich als in der Art und Weise, wie sie verkündet wurde, der Hammer. Denn Gabriel plauderte seine Entschlüsse eher beiläufig in einem Interview mit dem Magazin Stern aus. Auch eine Möglichkeit, der gesamten Partei seine Nichtachtung auszudrücken.

Die Parteibasis wurde nicht gefragt. Weder bei der geplanten Ministerrochade, noch bei der Suche nach einem Nachfolger im Wirtschaftsministerium, der Nachfolge im Auswärtigen Amt oder bei der Suche nach einem Kanzlerkandidaten. Auch der Zeitpunkt der Veränderungen und die Geschwindigkeiten, mit denen diesen durchgezogen werden, wurden nicht zur Diskussion gestellt. Ja selbst das Amt des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, dieser Partei mit über 150-jähriger Geschichte, ließ Gabriel fallen wie eine heiße Kartoffel und gab es emotionslos an Schulz weiter.

Gabriel entschied diese Punkte ganz allein und ohne die Parteibasis zu fragen oder gar bestimmen zu lassen. In fast schon diktatorischer Weise meint Gabriel bestimmen zu können, wer Parteivorsitzender werden und als Kanzlerkandidat der SPD in den Wahlkampf ziehen soll. Dieses mangelnde Verständnis von Demokratie ist beispiellos in der jüngeren Geschichte.

Basisdemokratie Fehlanzeige

Die Parteimitglieder der Sozialdemokraten wurden nicht informiert und nicht gefragt. Gabriel hielt es auch nicht für nötig, der Partei über geeignete innere Wege seine Entschlüsse mitzuteilen. Er nutzte ein Zeitschriften-Interview zur Verkündung. Ein unglaublicher Vorgang.

Man kann sicherlich darüber streiten, zu wieviel Prozent demokratisch die Kandidatensuche bei den Grünen war, wenn einer der beiden Kandidaten praktisch bereits vor der parteiinternen Abstimmung feststeht, weil eine Kandidatin aufgrund ihres Geschlechts als fest gesetzt galt. Doch die grüne Parteibasis wurde gefragt und hatte zumindest beim männlichen Part eine echte Entscheidungsgewalt.

Die SPD blickt in einen leeren Tunnel

Die SPD Basis blickt in einen leeren Tunnel

In der SPD kommt man erst gar nicht auf die Idee, die eigenen Mitglieder entscheiden zu lassen. Hier meint der Ex-Parteichef die Macht zu besitzen, per Verkündung in den Medien bestimmen zu können, wer neuer Parteichef und Kanzlerkandidat wird. Basisdemokratie Fehlanzeige.

Bundestagswahl

Niemand wird abstreiten wollen, daß Martin Schulz als Ex-EU-Parlamentspräsident ein geeigneter Kandidat für den Posten des Bundeskanzlers wäre. Ebenso sicher steht auch fest, daß Schulz im Vergleich mit Gabriel der bessere Kandidat ist. Doch wie undemokratisch die Kandidatenkür über die Bühne gegangen ist und wie sich Gabriel selbst ins Auswärtige Amt gesetzt hat, das wird nicht nur den SPD-Mitgliedern übel aufstoßen.

Auch die Wähler, die bisher ihr Kreuzchen bei den Sozialdemokraten gemacht haben, dürften durch diese Vorgänge zumindest irritiert sein. Ob sie ihr Kreuz auch im Herbst bei der SPD machen werden, wird sicher spannend zu beobachten sein. Es kann gut sein, daß Gabriel mit seinem Verzicht auf die Kanzlerkandidatur und dem nachfolgenden Postengeschachere der Partei insgesamt einen Bärendienst erwiesen hat.

 

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