Die Denke des Christian Lindner

Die Landtagswahl in Niedersachsen wurde für die FDP zum Desaster. Welche Schlüsse Parteichef Lindner daraus zieht, sind überraschend.

Bei der gestrigen Landtagswahl in Niedersachsen wurde die Groko aus SPD und CDU von den Wähler:innen in die Wüste geschickt. Eine Fortführung der letzten Großen Koalition in einem Bundesland in Deutschland war nicht erwünscht. Die Probleme, vor denen das Land im Bund und in den Bundesländern steht, sind einfach zu groß, als dass die Wähler:innen die bräsigste Form einer Koalition – nämlich eine Groko – weiter vor sich hin wursteln lassen würde. Das war bereits vor der Wahl klar, und so ist auch gekommen.

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Eine Wiederaufnahme einer rot-grünen Koalition in Niedersachsen ist das Ergebnis der gestrigen Landtagswahl. Verlierer der Wahl sind die CDU und die FDP.

Wahlverlierer in Niedersachsen

Die CDU unter Bernd Althusmann wurde in die Opposition geschickt, nicht zuletzt auch wegen der Politik im Bund. War es doch die CDU unter Kanzlerin Merkel und Minister Altmaier, die hauptsächlich für die jetzt herrschende Energiekrise verantwortlich ist. Das einseitige Setzen auf fossile Energieträger, wie Kohle, Öl und vor allem auf Gas und das bedenkenlose Anbiedern an Russland, bei gleichzeitiger möglichst großer Behinderung der erneuerbaren Energien waren ein schwerer Fehler, für den die Bürger und nicht zuletzt auch die Wirtschaft nun die Quittung bekommen in Form von astronomisch hohen Energierechnungen. Die zuletzt verstärkt laut gewordenen rechtspopulistischen Äußerungen von CDU Chef Merz gaben den Rest. Die CDU fuhr in Niedersachsen das schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten ein.

Der andere große Wahlverlierer ist die FDP. Die hat es tatsächlich geschafft, unter die 5-Prozent-Hürde zu rutschen und fliegt deshalb aus dem Parlament in Hannover. Die niedersächsischen Liberalen haben dieses Ergebnis zuallererst dem Agieren ihrer Partei im Bund zu verdanken. Ebenso wie bei der letzten Regierungsbeteiligung im Bund, hat es die FDP auch diesmal wieder als ihre größte Aufgabe angesehen, die Wünsche der eigenen Klientel durchzusetzen – ohne Rücksicht auf Verluste.

Die Liste der Grausamkeiten der FDP ist lang:

  • Porsche Gate
    als bekannt wurde, dass FDP Chef während der Koalitionsverhandlung in Berlin praktisch eine Telefon-Standleitung zum Porsche-Chef aufrecht hielt, um den Koalitionsvertrag nach dessen Wünsche zu fossilen Brennstoffen zu verfassen.
  • Tankrabatt
    der hauptsächlich Steuergelder in die Kassen der Öl- und Sprit-Konzerne gespült hat, statt die Bürger effektiv zu entlasten und gleichzeitig aufs Klima zu achten.
  • 9 Euro Ticket
    eine Kröte, die die Grünen als Gegenwert zum Tankrabatt durchgedrückt haben, wurde von Lindner als „Antifa“ Aktion und linkes Framing tituliert. Ein entsprechendes Nachfolgeticket im ÖPNV wird bis heute blockiert.
  • Tempolimit
    eine generelle Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen wird ablehnt, obwohl diese effektiv für weniger Ölverbrauch und für weniger CO2-Emissionen sorgen würde. Die Wünsche de Autolobby haben für Lindner einen höheren Stellenwert.
  • Schuldenbremse
    Finanzminister Lindner will unter allen Umständen an der Schuldenbremse festhalten, komme, was da wolle. Den Unterschied zwischen BWL und VWL ist ihm bis heute nicht aufgegangen. So verhindert er bislang sämtliche notwendigen Ausgaben und Investitionen in der Krise, es sei denn, sie kämen der eigenen Klientel zu gute.
  • Atomkraft
    rein aus populistischen Gründen wurde auf die Verlängerung der Atomkraft-Nutzung gepocht. Bedenken zur Sicherheit, zur Beschaffung von Brennstäben und der sehr geringen Auswirkung auf die Strompreise werden ignoriert.
  • Corona Pandemie
    Entgegen aller Bedenken von Virologen u.a. wurde die Pandemie für beendet erklärt. Sämtliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und zum Schutz vor Infektionen und ernsten Erkrankungen, wie Long Covid u.a, wurde als Eingriff in die persönliche Freiheit vom Tisch gefegt.
  • Schule
    Auch in den Schulen wurde die Pandemie für beendet erklärt. Besonders in der Kultusministerkonferenz und bei den Bund-Länder-Konferenzen vertrat die FDP dieses gefährliche Mantra, das die kleinsten und schwächsten Mitglieder der Bevölkerung, die zudem in großer Zahl ungeimpft sind, dem Virus ohne jeglichen Schutz ausgeliefert. Die Folgen werden in den kommenden Jahren zu spüren sein.

Diese Liste ließ sich sicher noch um einige Punkte ergänzen. Doch bereits diese Aufzählung reicht als Begründung für das desaströse Abschneiden der FDP bei der Niedersachsenwahl locker aus.

Die Denke des Christian Lindner

Wer nun glaubt, die FDP würde aufgrund dieses Wahlergebnisses in Sack und Asche gehen und würde darüber nachdenken, an welcher Stelle sie gegen den Willen der großen Mehrheit der Wähler:innen agiert hat, der sieht sich getäuscht. Ein Christian Lindner denkt da völlig anders.

Schon in den ersten Äußerungen zum Wahlergebnis am gestrigen Abend lassen erkennen, welchen Schluss Lindner aus der Niedersachsenwahl zieht:

Durch ihre Regierungsbeteiligung wird die FDP nicht mehr als Partei der Mitte, sondern als linke Kraft wahrgenommen.

Diesen Satz muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Lindner ist also nicht der Meinung, dass seine Blockadepolitik im Bund ein Fehler war, sondern dass er und die FDP noch viel zu wenig vermeintlich „linke Politik“ blockiert haben. Wow, was immer er für ein Fetisch für die Begriffe „Antifa“ und „linke Politik“ hat, diese Aussage hat es wirklich in sich.

Lindner sieht offenbar – ebenso wie der mittlerweile verstorbene Ex-FDP-Chef Westerwelle – für die Liberalen ein Potential von ca. 15 Prozent. Vielleicht träumt er auch, so wie einst Westerwelle von 18 Prozent oder mehr. Man weiß es nicht. Fakt ist jedoch, dass Lindner dieses Potential dadurch erreichen will, dass er Politik nur für diese Klientel machen will, um damit gezielt diese Wähler:innen für die FDP an die Wahlurne zu locken.

Das Fazit aus dem Wahldebakel lautet für Lindner also nicht, die Wünsche der großen Mehrheit in der Bevölkerung zu erfüllen, sondern das „Profil zu schärfen“ und nun noch stärker Politik nur für die eigene Klientel zu machen.

Für die Ampelkoalition im Bund bedeutet das nichts Gutes. Die FDP wird auch weiterhin auf der Bremse stehen und wichtige Punkte der Regierungsarbeit auf die Vereinbarkeit mit der eigenen Klientel abklopfen. Im Zweifel wird blockiert. Das ist Lobbyismus in Reinform.

SPD und Grüne müssen nun zeigen, wie sie sich eine weitere Zusammenarbeit in der Ampel vorstellen und ob sie die Blockade-Politik der FDP hinnehmen wollen. Im Zweifel könnte es durch die FDP zum Platzen der Koalition im Bund kommen.

 

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