Merkels letztes Jahr?

Neigt sich die Kanzlerschaft von Angela Merkel dem Ende zu? Die Wahlen im März 2016 werden darüber entscheiden.

Die Taktik von Angela Merkel hat lange funktioniert. Abwarten, Lage sondieren, Stimmungen einfangen und sich dann hinter die Mehrheit stellen. Bloß nicht zu früh aus der Deckung kommen und eine eigene Meinung. Von vielen Beobachtern wurde das als Aussitzen, wie einst Helmut Kohl ein Meister darin war, reklamiert, doch das war es zu keinem Zeitpunkt. Ganz im Gegenteil, es war die Grundlage für ihre lange Kanzlerschaft.

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Sollen sich doch die anderen mit ihren Ideen und Neuerungen die Köpfe einrennen. Merkel redet lieber der Mehrheit der eigenen Klientel nach dem Maul und setzt dann deren Wünsche konsequent um. Das wurde ihr als Verläßlichkeit und durchdachtes ruhiges Handeln gutgeschrieben. Mutti Merkel, die immer nach dem Guten für alle strebt. Der konservative Wähler wünscht keine Aufregung, denn „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“.

Probleme und deren Bewältigung sind politisches Alltagsgeschäft. Wenn man dabei ein ruhiges Händchen beweist, schadet das zwar nicht. Doch völlige Lethargie und das Drehen des eigenen Mäntelchens in den Wind der Meinung der Mehrheit hat damit nichts zu tun, denn das ist einfach Tatenlosigkeit und bedeutet Stillstand. Und Stillstand in der Entwicklung bedeutet immer auch Rückschritt. Insofern stehen auch die selbsternannten Wahrer der „deutschen Leitkultur“ von AfD und Pegidioten für einen Stillstand und schaden damit unserem Land.

Ende der Atomkraft

Nur zwei Mal hat sich Merkel in ihrer nunmehr 10 Jahre andauernden Kanzlerschaft wirklich aus der Deckung gewagt. Bei ersten Mal hat sie in einer einsamen Entscheidung quasi über Nacht das Ende der Atomkraftnutzung beschlossen. Natürlich muß man immer wieder betonen, daß die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Schröder den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen hatte, und das mit einem durchdachten Stufenplan. Merkels Regierungskoalition aus CDU und FDP setzte diesen auch von der Energielobby mitgetragenen Ausstiegskompromiß kurzerhand wieder außer Kraft und verlängerte wider besseren Wissens die Laufzeit der Uralt-Meiler in Deutschland.

Nach dem GAU im japanischen Kernkraftwerk Fukushima drehte sich merklich die Stimmung im Land und Merkel setzte sich nun geschickt an die Spitze der Bewegung und ließ die gerade beschlossene Laufzeitverlängerung wieder streichen. Vielmehr verhängte sie praktisch im Alleingang ein Moratorium und legte zahlreiche Atommeiler sofort still. Dieser rechtlich nicht sauber durchgeführte Schnitt wird den deutschen Steuerzahler noch viel Geld kosten. Die Kritik daran hat in letzter Zeit immer mehr zu genommen.

Flüchtlingspolitik

Das zweite Mal, daß sich Merkel aus der Deckung wagte und eine eigene Meinung vertrat, war die Entscheidung, Flüchtlinge, die auf ihrer Route durch Europa in Ungarn gestrandet waren und dort unter unmenschlichen Verhältnissen leben mußten, ohne die Beachtung der bis dahin geltenden Dublin-Verträge ins Land zu lassen.
Natürlich kam ihr diese Idee nicht so spontan, wie das in vielen Medien immer wieder behauptet wird. Auch bei dieser Entscheidung wähnte sich Merkel auf der sicheren Seite, hatte sie doch im Sommer noch heftige Kritik einstecken müssen, als sie in einer TV-Livediskussion mit Jugendlichen mit der Kälte einer Vollzugsbeamtin einem Flüchtlingsmädchen, das sich nach Sicherheit und der Chance auf eine Zukunft in Deutschland sehnte, erklärte, daß nicht alle Asylsuchenden bleiben dürfen. Auch das Mädchen und ihre Familie waren zu dem Zeitpunkt von Abschiebung bedroht.

Diese Kritik schien nicht spurlos an Merkel vorüber gegangen zu sein. Ihre Entscheidung, die Flüchtlinge ins Land zu lassen, kann man deshalb zwar als berechnend aber auch als menschlich bezeichnen. Und das kam bei vielen Menschen in Deutschland auch so an. Sie begriffen, in welcher Not die geflüchteten Männer, Frauen und Kinder sind befanden und noch immer befinden und verhielten sich menschlich. Sie halfen. Unentgeltlich und mit großer Freude. Eine Willkommenskultur, die besonders Christen nicht fremd sein sollte.

Die Demontage

Doch die Christlich Demokratische Union (CDU) und die Christlich-Soziale Union (CSU) halten von solchen christlichen Empfindungen offensichtlich nicht viel. Besonders die CSU gefällt sich immer mehr in ausländer- und flüchtlingsfeindlichen Äußerungen und Aktionen. Mit ihrem Verhalten sorgt die CSU dafür, daß die AfD derzeit geradezu einen Höhenrausch erlebt. Man traut sich wieder offen gegen Fremde zu hetzen. Die CSU stellt sich mit ihrer Politik gegen das Grundgesetz, gegen das Grundrecht auf Asyl und gegen die Menschlichkeit.

Doch die CSU arbeitet nicht nur gegen die Flüchtlinge, sie arbeitet auch gegen die eigene Kanzlerin. Dabei gehört die CSU, obwohl es viele ihrer Anhänger offensichtlich mittlerweile vergessen haben, mit der CDU und der SPD der aktuellen Koalition im Bundestag an. Die CSU fordert – entgegen der Politik der Bundesregierung – immer wieder eine Obergrenze für Flüchtlinge in unserem Land. Ohne freilich zu sagen, was passieren soll, wenn die Grenze überschritten wird. Will die CSU dann eine Mauer bauen und einen Schießbefehl an Deutschlands Außengrenze einführen? Ohne diese Frage zu beantworten, droht die CSU sogar mit einer Klage gegen die eigene Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht, um eine Grenzschließung durchzusetzen.

Auch in der CDU mehren sich die Stimmen gegen die Politik Merkels, wenn auch nicht an der Basis der Partei. Doch führende CDU-Politiker versuchen die „Flüchtlingskrise“ geschickt für die Demontage der Kanzlerin zu nutzen. Besonders Leute wie Thomas de Maizière und Co. versuchen die Stimmung gegen die Flüchtlinge und damit auch gegen Merkel mit verbalen Attacken und polemischen Äußerungen immer weiter anzuheizen. Offenbar wollen viele in der CDU auch einmal an die Tröge der Macht. Die Basis der Partei steht dagegen weiter hinter Merkels Politik, das hat zuletzt auch der Bundesparteitag der CDU in Karlsruhe gezeigt.

Ende der Kanzlerschaft?

Die Kanzlerin sollte also wirklich überlegen, ob sie sich nicht noch einmal aus der Deckung wagen will und die CSU aus der Regierung schmeißt. Für eine Mehrheit im Bundestag sind die Stimmen der CSU rein rechnerisch nicht erforderlich. Doch die SPD wird dabei wohl nicht mitspielen, hofft sie doch ebenfalls darauf, von der „Flüchtlingskrise“ zu profitieren.

So bleiben für Merkel nur zwei Alternativen: Entweder die Politkamikaze aus Bayern weiter aushalten und so Kanzlerin bleiben oder die Regierung platzen lassen, allerdings mit der Gefahr, daß die SPD nicht mitspielt und es zu Neuwahlen kommt.

Bis zum 13. März 2016 wird sie längstens Zeit haben, sich diese Alternativen gut zu überlegen. Denn an diesem Sonntag wählen die Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ihre neuen Landtage. Das Abschneiden der CDU und auch das der AfD bei diesen drei Landtagswahlen wird über das weitere Schicksal von Angela Merkel entscheiden. Sollte die CDU diese Wahlen verlieren, dann ist damit auch das Ende von Merkels Kanzlerschaft besiegelt.

Fast auf den Tag genau vor 26 Jahren kam Merkel erstmals in ein Regierungsamt. Damals am 18. März 1990 in die erste und letzte frei gewählte Regierung der DDR unter Ministerpräsident Lothar de Maizière, damals als Regierungssprecherin. Nun entscheidet wieder eine Wahl im März über das politische Schicksal von Angela Merkel.

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