Verfassungsbeschwerde zu ESM und Fiskalpakt

Dem Bundesverfassungsgericht liegen mehrere Verfassungsbeschwerden vor.

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Am Freitagabend haben Bundestag und Bundesrat dem Euro-Rettungsschirm (ESM) und dem Fiskalvertrag praktisch im Eilverfahren zugestimmt. Bei dieser Abstimmung wurde klar, daß die Ablehnung gegen diese einschneidenen Entscheidungen nicht nur durch die Bevölkerung sondern auch quer durch alle Parteien geht. Hätte Bundeskanzlerin Merkel nicht im Vorfeld einige Deals mit den Ländern geschlossen, dann wäre ihr die nötige Mehrheit versagt geblieben. So stimmten im Bundestag auch SPD und Grüne für ESM und Fiskalpakt und sicherten so die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Merkel wäre sonst sang und klanglos untergegangen, denn sie schaffte es nicht mal, die sogenannte Kanzler-Mehrheit zusammen zu bringen. Dafür hätte sie 311 Stimmen aus dem eigenen Lager bekommen müssen. Doch es waren nur 300. 26 Abgeordnete stimmten gegen die Verträge. Die Koalition ist damit nicht mehr eigenständig handlungsfähig. Ob die schwarz-gelbe Koalition weiterhin Bestand haben wird, wird sich schon bei der Abstimmung über die beim letzten EU-Gipfel gefassten Beschlüsse zeigen. Dann wird Merkel auf die Kanzler-Mehrheit angewiesen sein.

Doch der Fortbestand der Koalition aus Union und FDP ist nur ein Nebenkriegsschauplatz. Nach dem Ende der Fußball-Europameisterschaft wird das Volk vielleicht endlich aufwachen und mitbekommen, was da am vergangenen Freitag durch die Parlamente gepeitscht wurde:

  • Der Eurorettungsschirm ESM wird zu einer Dauer-Institution, die sich der Kontrolle durch die Parlamente praktisch entzieht. Er besitzt ein Stammkapital von 80 Mrd. EUR und kann im Alleingang Kreditsummen bewilligen. Das Budgetrecht des Bundestages wird dadurch umgegangen.
  • Der Fiskalpakt soll die Haushalts- und Wirtschaftspolitik der Euro-Länder stärker koordinieren. Die Haushaltsdisziplin soll drastisch verschärft werden. Dafür soll tief in die Souveränität der Mitgliedsstaaten und deren Parlamente eingegriffen werden.

Wer die Gemeinschaftswährung Euro will, der muß auch für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik sein. Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion (WWS) waren schon die Voraussetzungen für die Einführung der D-Mark in der damaligen DDR. Und trotzdem wurde die Wirtschaft der neuen Bundesländer in der Folge praktisch pulverisiert. Ohne die WWS-Union wäre es aber für die Menschen wohl noch viel schlimmer gekommen. Die Folgen der harten D-Mark konnten so zumindest abgemildert werden.
Bei der Einführung des Euro wurden diese Grundsätze gänzlich unbeachtet gelassen. Die Folgen kann man heute sehen. Die südlichen Länder leiden unter dem harten Euro, ein innereuropäischer Ausgleich findet aber nicht statt. Die WWS-Union wird man wohl oder übel nachträglich einführen müssen, wenn man den Euro auf Dauer retten will. Dafür sind jedoch Eingriffe in die nationalen Rechte nötig, die man nicht per Hinterzimmer-Politik beschließen kann. Dafür muß das Volk befragt werden. Das Volk muß entscheiden, ob es mehr Rechte an Europa abtreten möchte oder nicht. Das geht nur in einem Volksentscheid. Davor scheut sich die Politik aber. Deshalb muß man sie dazu zwingen.

Gegen die am Freitag beschlossenen Verträge ESM und Fiskalpakt wurden deshalb noch am selben Abend Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe eingelegt. Mehrere Bundestagsabgeordnete und das Bündnis „Europa braucht mehr Demokratie“, das insgesamt 12.000 Vollmachten von Bürgern vorliegen hat, wollen so erreichen, daß das Grundgesetz nicht durch die Hintertür ausgehöhlt wird.

Insgesamt fünf Klagen liegen nun dem BVerfG vor. Und einen kleinen Erfolg konnten sie schon verbuchen. Das überhastete Inkrafttreten des ESM zum 01. Juli 2012 wurde vorerst verhindert. Er soll nun frühestens 2013 starten, falls Karlsruhe die Verträge nicht beanstandet. Und das BVerfG hat den Bundespräsidenten gebeten, wegen der Verfassungsbeschwerden zunächst mit der Unterschrift zu warten. Ob sich Gauck daran halten oder sich dem Druck beugen wird, so wie einst Bundespräsident Köhler, der daraufhin sein Amt hinwarf, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.
Der Sommer wird jedenfalls alles andere als ruhig für Angela Merkel und die schwarz-gelbe Koalition.

Quellen: Bündnis „Europa braucht mehr Demokratie“, SpOn

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