Wird der Soli jetzt abgeschafft?

Ministerpräsident Weil will den Soli abschaffen und den Spitzensteuersatz anheben. Im Alleingang.

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), sonst nicht als charismatisch auftretender Mann bekannt, der sich bei jeder bietenden Gelegenheit in den Vordergrund spielt, legt offenbar ohne Absprache mit der Bundesführung der SPD und vor allem ohne Absprache mit SPD-Kanzlerkandidat Schulz einen Vorschlag vor, nach dem der Solidaritätszuschlag (Soli) abgeschafft und im Gegenzug der Spitzensteuersatz angehoben werden soll.

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Das Mißverständnis namens Soli

Der Soli wurde seinerzeit von CDU-Kanzler Kohl eingeführt. Weil er zu feige war, die Mehrwertsteuer anzuheben, erschuf er den Soli und verband diesen auch noch argumentativ mit der Finanzierung der deutschen Einheit. Und er versprach eine endliche Lebenszeit für den Soli.

Gestimmt hat nichts davon. Der Soli wird von allen Steuerzahlern in ganz Deutschland gezahlt und kommt direkt in den Bundeshaushalt. Weder wird das Geld direkt an die östlichen Bundesländer überwiesen, noch zahlen den Soli ausschließlich Arbeitnehmer im Westen der Republik. Doch verfestigt hat sich den Köpfen genau diese Annahme. Doch Kohl war es offensichtlich egal, daß dadurch die innere Einheit Deutschlands vergiftet wurde.

Abschaffung des Soli

Immer wieder wurde seitdem gefordert, den Soli endlich sterben zu lassen. Doch noch immer erfreut sich der Steuerzuschlag bester Gesundheit. Der Bundeshaushalt kann auf die Milliarden aus dem Soli nicht verzichten, und will dies auch gar nicht. Bundesfinanzminister Schäuble, Mister schwarze Null geht ein ausgeglichener Haushalt über alles. Er wäre der Letzte, der den Soli abschaffen würde.

Zur Zeit gilt ein Steuersatz von 42 Prozent für Einkommen zwischen 55.000 und 260.000 € pro Jahr. Bezieher noch höherer Einkommen müssen eine „Reichensteuer“ von 45 Prozent zahlen. Soli müssen alle zahlen.

Nun platzt der niedersächsische Ministerpräsident Weil mit seinem Vorschlag direkt in die Programmfindungsphase der SPD. Seine Einkommenssteuerreform soll eine Entlastung von 10 Milliarden Euro für die Steuerzahler bringen. Vor allem die Bezieher kleiner Einkommen sollen profitieren, während Spitzenverdiener mehr abdrücken müßten. Demnach soll der Spitzensteuersatz auf 49 Prozent steigen. Das heißt, daß künftig Einkommen ab 58.000 € mit 45 Prozent belastet werden, Einkommen ab 150.000 € pro Jahr mit 49 Prozent. Der Solidaritätszuschlag soll im Gegenzug komplett entfallen.

Nach Aussage von Weil würden rund 30 Millionen Steuerzahler von seinem Vorschlag profitieren. Daß die meisten Steuerpflichtigen jedoch weniger von der Einkommensteuer als vielmehr von den extrem hohen Sozialabgaben belastet werden, ignoriert der Niedersachse geflissentlich. Nicht zuletzt Solo-Selbständige mit geringem Einkommen werden durch hohe Abgaben für die Krankenkasse an den Rand der Existenz gebracht. Wenn demnächst auch noch Zwangsabgaben für die Rentenversicherung dazukommen, werden wohl viele kleine Selbständige aufgeben müssen.

Weils Vorschlag geht zwar publikumswirksam den verhaßten Solidaritätsvorschlag an, ignoriert jedoch die einschneidenden Belastungen unter denen Bezieher kleiner Einkommen wirklich zu leiden haben. Das kann nur dem Wahlkampf geschuldet sein.

SPD im Chaos

In der SPD scheint dagegen das totale Chaos ausgebrochen zu sein. Nachdem die Sozialdemokraten bei den vergangenen drei Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen vom Wähler ordentlich einen auf den Deckel bekommen haben und der unsägliche „Schulz-Zug“ die Reise aufs Abstellgleis angetreten hat, gleicht die SPD einem aufgeschreckten Hühnerhaufen.

Weil scheint seinen Vorschlag zur Soli-Abschaffung mehr oder weniger im Alleingang ausgeheckt zu haben. Kanzlerkandidat Schulz soll den Plan zwar kennen, „habe sich diesen aber nicht zu eigen gemacht“. SPD-Bundestagsfraktionschef Oppermann scheint dagegen von Weils Idee ganz angetan zu sein. Interessant ist dabei der Fakt, daß Oppermann für das Wahlprogramm maßgeblich mitverantwortlich ist. Auf die Zusammenarbeit von Oppermann und Schulz darf man deshalb gespannt sein.

In der SPD scheint derzeit jeder zu machen, was er will. Offenbar herrscht die Stimmung rette sich wer kann. Wenn das über den Sommer so anhält, dann stehen die Zeichen tatsächlich auf ein Weiterregieren von Merkel. Ob sich die SPD dann in eine große Koalition retten kann, um wenigstens an den Futtertrögen der Macht noch mitspielen zu  dürfen, ist jedoch alles andere als sicher. Je nachdem, wie sich die Grünen und die FDP schlagen, kann es am Ende auch locker dazu kommen, daß sich die SPD in der Opposition wiederfindet und Deutschland von einer Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grüne regiert wird.

Vielleicht täte den Sozialdemokraten eine Auszeit auf der Oppositionsbank ganz gut. Dann kämen sie vielleicht auch der Linkspartei etwas näher und erkennen, daß eine Spaltung der linken Kräfte im Parlament am Ende nur dem Gegner nutzt.

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