Chaos bei der Berliner S-Bahn

Bei der Berliner S-Bahn herrscht zur Zeit das Chaos.

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Und das nun schon seit über einer Woche. Ein Ende ist derzeit überhaupt nicht abzusehen.

Chaos

Das Eisenbahnbundesamt (EBA) hatte am 29.06.09 hunderte Wagen der S-Bahn aus dem Verkehr gezogen und zu sofortigen Sicherheitsüberprüfungen in die Werkstätten verwiesen. Eigentlich sollte die S-Bahn die Überprüfungen längst schon von sich aus durchgeführt haben. Das EBA hatte die Checks angeordnet, nachdem am 01.Mai 09 ein Bruch an einem Rad festgestellt wurde. Alle 7 Tage sollten die Wagen überprüft werden. Die S-Bahn aber hielt sich nicht an die vorgegebenen Intervalle.
Diese Nachlässigkeit in Punkto Sicherheit und Nichtbefolgung von EBA-Anweisungen hat am 02.07.09 alle vier S-Bahn-Chefs ihre Jobs gekostet. Völlig zu recht wurden sie gefeuert.

Dann also hunderte Wagen auf einmal in die Werkstätten. Was das für die Fahrgäste bedeutet, kann man sich ausrechnen oder jeden Tag live in Berlin erleben:

  • Viele S-Bahn-Linien verkehren nur noch im 20-Minuten-Takt
  • einige S-Bahn-Linien verkehren nur verkürzt zwischen ausgewählten Bahnhöfen
  • einige S-Bahn-Linien verkehren gar nicht
  • nur ganze vier(!) Linien verkehren planmäßig
  • jeden Tag gibt es neue Sonderfahrpläne

Auf den Bahnhöfen der eingeschränkt verkehrenden Linien, also auf fast allen, herrscht das Chaos. Viele Züge haben zusätzlich zu den geänderten Taktzeiten auch noch weniger Wagen als sonst.  Das Gedränge kann man sich lebhaft vorstellen. Nur Masochisten versuchen derzeit Kinderwagen oder Fahrräder mit in die  S-Bahn zu nehmen.
Zum Glück kann man vielerorts auf die BVG umsteigen, allerdings mit zum Teil erheblichen Umwegen und dadurch längeren Fahrzeiten und -wegen. Oft ist ein Umstieg aber auch überhaupt nicht möglich. Dann bleibt nur das Auto. Das ist der Beitrag der S-Bahn zum Umweltschutz.

Zu allem Überfluß hält sich die S-Bahn auch noch mit Informationen zur aktuellen Lage zurück. Mehr als die Hinweise auf der Homepage gibt es kaum. Doch selbst die dort genannten Sonderfahrpläne werden ständig von der Realität überholt: Manche Züge fahren gar nicht oder zu andren Zeiten als angegeben. Auch die S-Bahner vor Ort wissen selbst kaum mehr als ihre Kunden, bekommen dafür aber deren Frust zu spüren.

Wenn man das alles so liest, dann meint man, ein Déjà-vu zu haben: Radprobleme, Zugausfälle, Sicherheitsprobleme, schlechter Service. Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor. Richtig, die S-Bahn Berlin ist ja ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG! Offenbar hat sich Mehdorns Sparwahn, um die Bahn und deren Tochterunternehmen börsenreif zu machen, auch hier negativ ausgewirkt.
Ähnlich wie bei der Bahn, die immer wieder mit Sicherheitsproblemen beim ICE zu kämpfen hat, gibt es bei der S-Bahn Probleme mit den Rädern. Das mag daran liegen, daß die Räder der S-Bahn-Wagen aus einem ähnlichen Material wie die der ICE-Züge sind.
Hätte man also selbst drauf kommen können, ist man aber nicht. Stattdessen hat man lieber die Überprüfungsanweisungen des EBA ignoriert und die Probleme vor sich hergeschoben. Das wiederum kennt man auch vom Mutterkonzern. Auch die Bahn mußte offenbar gezwungen werden, ihre ICE-Züge und deren Radsätze nach dem Unfall im Kölner Hauptbahnhof außerplanmäßig zu überprüfen. Auch hier herrschte tagelang das Chaos auf deutschen Fernverkehrsverbindungen.

Die Berliner Verkehrs-Senatorin Junge-Reyer hat jetzt angekündigt, die Zahlungen an die S-Bahn aufgrund der Nichterbringung von Leistungen zu kürzen und den Vertrag als Ganzes zur Disposition zu stellen.
Ob das überhaupt möglich ist, bleibt allerdings im Dunkeln. Der Vertrag zwischen Berlin und der S-Bahn, der bis 2017 laufen soll, wurde als Geheimsache eingestuft. Selbst Abgeordnete bekommen ihn nun mit Schwärzungen von wichtigen Vertragsteilen zu sehen. Auch das ein Unding an sich. Aber in Berlin ist einiges möglich…

Für die Fahrgäste wird es allerdings sehr schwer bis gar nicht möglich sein, Geld zurück zu bekommen. Das trifft die Besitzer von Zeitkarten am schwersten. Die Politik hat jetzt an die S-Bahn appeliert über Entschädigungen nachzudenken. Rechtlich ist da offenbar nichts zu machen.

Vom Bundesverkehrsminister Tiefensee, immerhin ist der Bund ja Hauptaktionär der Deutschen Bahn AG, hört man überhaupt nichts zu diesem Thema. Wie immer. Aber der ist bestimmt schon wieder im Urlaub, hoffentlich.

Hartmut Mehdorn wurde ja am 30.04.09 als Bahn-Chef gefeuert, jedoch nicht, weil er die Bahn schlecht gemanagt hat. Die Gewinne stiegen unter seiner Führung und auch die Berliner S-Bahn hat durch ihren regiden Sparkurs schwarze Zahlen geschrieben und in 2008 rund 56 Mio. EUR an den Mutterkonzern überwiesen. Daß dabei Service und Sicherheit auf der Strecke blieben, war dem Bahn-Haupteigner zumindest egal. Mehdorn stolperte letztendlich über die Datenaffäre.
Inzwischen hat er einen neuen Job gefunden. Sein alter Freund Joachim Hunold hat ihm einen Posten im Aufsichtsrat der Fluglinie airberlin beschafft. Hunold ist

…sehr froh, daß airberlin auf die reichhaltige Erfahrung einer der bekanntesten Führungskräfte Deutschlands zurückgreifen kann.“

Was immer das für die Zukunft von airberlin und deren Fluggäste bedeuten wird.

Quellen: Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, Tagesspiegel

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