Merkel will Betreuungsgeld durchsetzen

Die Herdprämie soll im Sommer 2013 gegen alle Widerstände eingeführt werden.

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Etwas seltenes ist passiert in der deutschen Politik: Kanzlerin Merkel hat sich bei einem Thema festgelegt. Das ist sonst gar nicht ihre Art. Merkel moderiert lieber im Hintergrund. Man kann auch sagen, sie sitzt die Probleme aus, ganz so wie sie es von ihrem Ziehvater Helmut Kohl gelernt hat. Merkel wartet ab, wie sich die öffentliche Meinung entwickelt und legt sich so spät wie möglich fest. So bleibt sie unangreifbar und segelt immer im Wind der allgemeinen Meinung. Klare Kante zeigen, so wie einst Schröder, der, wenn es sein mußte, selbst gegen die Meinung der eigenen Partei regierte, ist Merkels Sache nicht. Der Umstand, daß sie immer noch im Amt ist, gab ihr bisher Recht.

Doch ab und an muß sich auch eine Angela Merkel festlegen. Und wenn sie es tut, geht es meistens schief. So bei der Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke. Kaum beschlossen, funkte der GAU in Fukushima dazwischen und Merkel vollzog die 180°-Wende, um den eigenen Kopf zu retten. Und so auch beim Plagiats-Skandal von zu Guttenberg. Auch hier legte sie sich früh fest und sprach sich für Guttenbergs Verbleiben im Bundeskabinett aus, gegen alle Widerstände aus Wissenschaft und Bevölkerung. Auch hier erlitt sie meisterhaft Schiffbruch. Guttenberg wurde der Doktortitel aberkannt und er mußte zurücktreten. Der Scherbenhaufen, auch für Merkel ganz persönlich war nicht unerheblich.

Jetzt also das Thema Betreuungsgeld. Niemand will es haben. Weder die FDP, noch wirklich ernsthaft die CDU. Doch die CSU hat ihrer Klientel, die noch immer dem alten Rollenverständnis anhängt, nachdem der Platz der Frau und Mutter zuhause am Herd bei den Kindern ist, das Geld versprochen. Und so müssen Koalition und Kanzlerin die Herdprämie durchsetzen. Gegen alle Widerstände und gegen jede Vernunft.
Dabei zeigen andere Länder, die bereits Erfahrungen mit der Herdprämie sammeln konnten, daß genau das eintritt, wovor die Kritiker immer warnen. Genau die Kinder, die die frühkindliche Förderung am meisten brauchen, das sind vorallem Kinder aus ärmeren, bildungsfernen Schichten und Kinder mit Migrationshintergrund, werden dann wegen der Herdprämie zuhause gelassen. Skandinavien, das als gutes Beispiel für das Funktionieren der Herdprämie herhalten muß, hat zwischenzeitlich erkennen müssen, daß das Betreuungsgeld ein Reinfall ist. Seit 2008 gibt es in Schweden Betreuungsgeld, in Norwegen schon seit 1998 und Finnland hat es noch früher eingeführt, nämlich schon 1985. In der Praxis sieht in allen drei Ländern gleich aus. Die Befürchtungen der Gegner sind Realität geworden. Das Betreuungsgeld behindert die Erwerbstätigkeit von Müttern und es bremst den Ausbau von Kitas. Und vorallem Einwanderungsfamilien nutzen die Betreuungsangebote für Kinder nicht mehr. Das ausgelobte Geld fürs Zuhausebleiben stellt für sie einen zu großen Anreiz dar.
Das wird in Deutschland nicht anders werden. 100 EUR bzw. ab 2014 dann 150 EUR sind fast ein zweites Kindergeld, das zur Zeit 184 EUR fürs erste Kind beträgt. Oder anders gerechnet: Kindergeld plus Herdprämie sind mit 334 EUR ein zusätzlicher Hartz4-Satz. Auch wenn sich das viele in der CSU gar nicht vorstellen können: 150 EUR sind eine Menge Geld für arme Menschen, die sonst mit jedem Cent(!) rechnen müssen. Und sie werden dieses Geld in Anspruch nehmen. Das ist Fakt und in Skandinavien längst bewiesen.

Doch Einsicht ist nicht unbedingt Sache der CSU. Und so wird weiter Stimmung für eine Sache gemacht, die niemand will, selbst die als Super-Nanny bekanntgewordene Katia Saalfrank, die im echten Leben Diplom-Pädagogin und Musiktherapeutin ist, ist gegen die Herdprämie, und die am Ende des Tages auch nicht kommen wird.  Entweder sind die Abgeordneten der schwarz-gelben Koalition so klug, rechtzeitig die Bremse zu ziehen, oder die Opposition wird das erledigen. Die hat schon heute den Gang vors Bundesverfassungsgericht angekündigt hat, falls die Herdprämie in Gesetzesform gegossen werden soll.

Merkel wird sich wieder einmal ärgern, daß sie sich bei einem Thema festgelegt hat. Denn am Ende wird sie erkennen müssen, daß sie mit ihrer Meinung aufs falsche Pferd gesetzt hat.

Quellen: ZDF, SZ, taz

achtung Update (25.04.2012): Bei einem Punkt herrscht innerhalb der schwarz-gelben Koalition -wie erwartet- totale Einigkeit: Falls die Herdprämie kommt, dann sollen Hartz4-Empfänger nichts davon haben. Denen sollen die 100/150 EUR komplett mit dem Hartz4-Satz verrechnet werden.
Hartz4-Empfänger sind einfach nicht die Klientel von CDU, CSU und FDP.

 

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