Die unerträgliche Doppelmoral der Union

Der Fall Guttenberg zeigt wieder einmal, wie CDU und CSU ticken: „Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen“.

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Nachdem für Karl-Theodor zu Guttenberg die Beweise erdrückend wurden, mußte er in der letzten Woche endlich zugeben, seine Doktorarbeit -wie er es nennt- fehlerhaft erstellt zu haben. Andere nennen das Werk schlicht Plagiat. Doch Theodor wäre nicht er selbst, wenn er nicht bei jedem Fehler einen Schuldigen finden würde, den er an seiner statt für die Fehler verantwortlich machen und im Anschluß entlassen könnte.
Im Falle seiner Doktorarbeit jedoch kann er niemand anderes verantwortlich machen und einfach seinen Doktorvater rausschmeißen, diesmal muß er selbst Farbe bekennen. Zumindest Außenstehenden waren davon überzeugt. Nicht so Karl-Theodor selbst. Er machte ganz einfach seinen Doktortitel zum Sündenbock und trennte sich kurzerhand von ihm. Der Uni Bayreuth schrieb er einen Brief, in dem er ganz großzügig um die Rücknahme des Doktortitels bat. Und wieder ward ein Schuldiger gefunden. Unglaublich diese Angst vor der Verantwortung.
Den Brief schrieb er übrigens auf Papier des Verteidigungministeriums. Dabei sind Doktorarbeit und Titel seine rein privaten Angelegenheiten. Das hat nichts unter einem offiziellen Briefkopf des Bundesverteidigungsministeriums zu suchen. Allein für solche Anmaßungen trat 1993 ein gewisser Möllemann als Bundeswirtschaftsminister zurück.

Die Uni Bayreuth entsprach dem Wunsch und nahm den Doktortitel zurück. Auf eine Untersuchung, ob zu Guttenberg bewußt und vorsätzlich getäuscht hat, wollte man zunächst verzichten. Mittlerweile will man sich nach massiven druck von außen doch mit diesem Vorwurf beschäftigen.
Man darf gespannt sein, ob und wann es zu einem Ergebnis kommt und wie dies dann ausfällt, denn gerade die Uni Bayreuth muß sich den Vorwurf gefallen lassen, der Familie zu Guttenberg sehr nah, wenn nicht zu nahe zu stehen. Die Opposition wirft zu Guttberg deshalb vor, den Doktortitel gekauft zu haben und fordert dazu auf, die wirtschaftlichen Verflechtungen der Familie zu Guttenberg mit der Uni Bayreuth endlich aufzuklären.

Was auch immer bei den Untersuchungen der Uni und der wirtschaftlichen Abhängigkeiten heraus kommen wird, fest steht schon jetzt, daß zu Guttenberg massiv gegen das Urheberrecht und den Schutz geistigen Eigentums verstoßen hat. Trotzdem hält die Union aus CDU und CSU und allen voran die Kanzlerin selbst weiter zu ihm. Angela Merkel will zu Guttenberg keinesfalls als Minister verlieren. Eine mit einem Rücktritt notwendig werdene Kabinettsumbildung will Merkel im Superwahljahr 2011 unter allen Umständen vermeiden. Lieber läßt sie Sitte, Anstand und wissenschaftliche Ehre über die Klinge springen, als zu Guttenberg zu opfern. Was interessiert da schon das eigene Geschwätz der vergangenen Jahre, als man Raubkopierer verbal noch als Verbrecher schimpfte.
Wobei es ganz nebenbei überhaupt keine Raubkopierer gibt, denn unter Raub versteht man die gewaltsame Wegnahme fremder Sachen. Davon kann beim Kopieren nun wirklich nicht die Rede sein. Doch mit solchen Spitzfindigkeiten hielten sich die Urheberrechtsverschäfer der Union bisher nicht auf. Auch zu Guttenberg kämpfte in den letzten Jahren fleißig mit an dieser Front.

Die Guttenberg-Affäre zeigt in drastischer Weise, daß in der Partei, die sonst immer so auf Werte schwört und eigens dafür eine Grundsatzkommission beschäftigt, die eigenen Grundsätze nichts wert sind. All das Geschwafel von Werten und Leitkultur war nichts anderes als leeres Gewäsch. Einzig erdacht, um als Nebelkerzen von wirklichen Problemen abzulenken. Die Kanzlerin entscheidet, wer höchst selbst, wer gehalten wird und wer nicht. Und zu Guttenberg soll offenbar gehalten werden. Man wird sehen, wie lange dieses Trauerspiel noch gehen wird.

Anderen in der CDU erging es da schon schlechter, wie das ARD-Magazin Kontraste recherchierte. Als der damalige Vorsteher des Landesverbandes Lippe, Andreas K., im Jahre 2006 überführt wurde, bei seiner Doktorarbeit betrogen zu haben und er deshalb seinen Doktortitel zurückgeben mußte, machte die gleiche CDU, die heute ihren Schummel-Baron schützt, kurzen Prozeß mit ihm. Andreas K. verlor alle Ämter. Noch heute kämpt er um sein persönliches Ansehen.

Das alles zeigt die unerträgliche Doppelmoral der CDU und der Union insgesamt. Wer nützt, wird geschützt. Urheberrecht und Moral hin oder her.
Man kann nur inständig an alle ehemaligen Unions-Wähler appelieren, sich nicht weiter verarschen zu lassen und mit ihrem Kreuzchen auf dem Stimmzettel bei einer der zahlreichen Wahlen in diesem Jahr zu zeigen, was man von solchen unerhörten Vorgängen hält.

P.S. Mittlerweile sind weitere Plagiatsverdachtsfälle aufgetaucht. Auch in früheren Veröffentlichungen hat es zu Guttenberg mit der Verwendung von Fremdtexten und deren Kennzeichnung nicht so genau genommen.

Quellen: Zeit, Bundesregierung, rbb, Welt, SpOn

 

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