Das E10-Desaster

Die Autofahrer sind sich einig: „Wir haben E10 gestoppt.“
Doch was steckt wirklich hinter dem E10-Biosprit-Desaster?

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Kaum werden an den ersten Tankstellen die neuen E10-Säulen montiert, schon schwellen die Diskussionen unter den Autofahrern an: „Was ist dieses E10? Verträgt mein Auto das? Oh, mein tolles Auto soll geschädigt werden.“

Auch wenn zur Zeit alle Fernsehsender versuchen, mit unsäglichen Übertragungen von Verstaltungen wie „Mer losse d’r Dom in Kölle“ die Frohsinns-Rate unter den Zuschauern zu erhöhen, beim Thema Auto versteht der Deutsche keinen Spaß. Lieber ernährt er sich zu 100 Prozent von denaturierter und gentechnisch veränderter Ersatznahrung aus dem Discounter, als daß er irgendetwas Schlechtes seinem Auto zumutet. Wer oder was auch immer seinem liebstem Stück schadet oder den Anschein erweckt, dies zu tun, wird eisern und in einer sonst nicht zustande bringenden Einigkeit bekämpft.
So auch beim Biosprit E10. Dieser neumodische Kraftstoff, der aus 10 Prozent Ethanol besteht und der für ca. 10 Prozent der zur Zeit vorhandenen PKW-Motoren nicht geeignet ist, wird rigoros gemieden. „Wir haben E10 gestoppt“ freuen sich nun die Tankverweigerer. Mit diesem Käuferstreik sollen die Benzinkonzerne in die Knie gezwungen werden. Und deshalb schreiben sie sich die gestrige Ankündigung der Mineralölwirtschaft, die weitere Einführung von E10 vorerst zu stoppen, auf ihre Fahnen. Dabei hatte der Verband der Mineralölindustrie nur von einer Anpassung der Raffinerieproduktion gesprochen, um auf die geringe Nachfrage zu reagieren.

Vom totalen Stopp kann gar nicht die Rede sein, denn die Einführung des Kraftstoffes E10 wird sich nicht aufhalten lassen. Die EU-Richtlinie zur Kraftstoffqualität ist da eindeutig. Die Benzinhersteller müssen die Beimischung von Bioethanol von bisher 5 Prozent auf 10 Prozent erhöhen. Und in anderen Ländern funktionierte das ja auch nahezu reibungslos. Nur in Deutschland gibt es offenbar Verständnis-Probleme.

Und auf dieser Welle der Empörung unter den Autofahrern wollen natürlich auch gleich wieder ein paar politische Hinterbänkler im EU-Parlament mitsegeln. So fordern Energie-„Experten“ der CDU den E10-Kraftstoff sofort wieder abzuschaffen und umweltpolitische Sprecher der FDP bemängeln, daß die Einführung von Biosprit schlecht durchdacht sei. Wo diese Politiker waren, als die EU-Richtlinie beschlossen wurde, darf sich jeder selbst herleiten.

Das Chaos an deutschen Tankstellen ist derzeit kaum zu übersehen. Wegen mangelnder Information meiden die Autofahrer das neue E10-Super Benzin und tanken lieber das bekannte Super-Plus. Doch das ist erheblich teurer als das E10 Benzin. Solange die Politik und die Mineralölindustrie nichts gegen die -gewollte und medial geschürte- Verunsicherung der Verbraucher tut, wird sich am Käuferstreik vorerst nichts ändern.
Und spätestens an diesem Punkt ist ersichtlich, wer wirklich von dieser Verunsicherung profitiert und der wahre Gewinner des Autofahrer-Streiks ist: Die Mineralindustrie, nicht der Autofahrer.
Die Benzinhersteller reiben sich die Hände, ob der beträchtlichen Zusatzeinnahmen. Es soll sogar schon vorgekommen sein, daß an einigen Tankstellen zwar E10 an der Säule zu lesen war, obwohl trotzdem das altbekannte Super-Benzin aus der Tankpistole kam. Da griffen die Kunden lieber zum altbekannten Super Plus. Ein geschickter Schachzug der Benzinhersteller dieser Etikettenschwindel, der jedoch stark in Richtung Betrug tendiert. Sanktionen muß die Benzin-Branche trotzdem nicht befürchten, sitzen doch die eigenen Lobbyisten unter Schwarz-Gelb fest im Sattel.

Ob der E10-Kraftstoff wirklich gut für Klima ist und die Agrarflächen sinnvoll verwendet, spielt in diesem Chaos noch nicht einmal eine untergeordnete Rolle. Kritiker bezweifeln die Sinnhaftigkeit des Biosprits.

Quellen: Spon (1) (2) (3) (4), Reuters, DAT, EU, DerWesten

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