Das öffentlich-rechtliche Versagen.

Während in der Türkei ein Putschversuch läuft, verschlafen ARD und ZDF ihre Informationspflicht.

Man stelle sich vor, in einem NATO-Mitgliedsland, das gleichzeitig ein Partner im Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ ist und für die sichere Unterbringung von Millionen Flüchtlingen aus dem umkämpften Syrien sorgen soll, bricht ein Putsch aus. Der demokratisch gewählte Präsident soll durch Teile der schwerbewaffneten Armee aus dem Amt gejagt werden, auch unter Anwendung militärischer Mittel, wie Panzer, Hubschrauber und Kampfflugzeuge.

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Das alles müßte für den Rest des Nato-Bündnisses höchst alarmierend sein. Die TV-Anstalten, noch dazu die mit Milliarden gepamperten öffentlich-rechtlichen Sender, müßten sich doch geradezu überschlagen, im dem Bemühen, die eigenen Zuschauer über die aktuellen Vorgänge aufzuklären. Zumindest würde man dies erwarten.

ARD, ZDF & phoenix

Bei ARD und ZDF läuft alles jedoch etwas anders. Während aus der Türkei die ersten Nachrichten über einen Putschversuch nach draußen dringen, schlafen die beiden öffentlich-rechtlichen Sender ihren Wochenend- und Sommerloch-Schlaf. Informationen fast gleich null.

Die ARD sendete einen alten Tatort, das Programm der ARD speist sich generell zu einem Großteil aus dieser Krimiserie. Das ZDF versorgte seine Zuschauer mit Klassik. Statt Live-Bilder aus Istanbul sahen ZDF-Zuschauer im Rahmen der „Nacht der Klassik“ die Oper AIDA.

Auch bei phoenix, dem selbsternannten „Ereigniskanal“, erfuhren die Zuschauer, die mit ihren GEZ-Zwangsgebühren den Sendern zu alljährlichen Einnahmen von rund 8 Milliarden Euro verhelfen, außer ein paar „Bauchbinden-Einblendungen“ im laufenden Programm rein gar nichts. Die Redaktion teilte sogar bei Twitter mit, daß man erst ab 9 Uhr am nächsten Morgen wieder gedenke, neue Nachrichten zum Putsch zu liefern.

Gerade phoenix, der Sender, der sonst durch seine mit Fakten belegte und unaufgeregte Art der Nachrichtenpräsentation überzeugen kann, enttäuschte hier auf ganzer Linie. Wenn der Putschversuch kein „Ereignis“ war, was dann?

Auch die teuren Spartensender, wie tagesschau24 und ZDFinfo, gefielen sich in ihrer Sprachlosigkeit zu den Vorkommnissen in der Türkei.

Private Konkurrenz

Wer in der Nacht des Putsches in der Türkei einigermaßen informiert sein wollte, der mußte sich bei anderen Anbietern umsehen. Zum Glück gibt es da noch einige Alternativen. Besonders CNN, die BBC und EuroNews lieferten ständig aktuelle und aktualisierte Nachrichten zur Lage am Bosporus.

Daneben war natürlich das Netz die Informationsquelle Nummer eins. Vor allem Twitter und Facebook konnten hier, auch durch die Beiträge ihrer nicht professionellen User, überzeugen.

Öffentlich-rechtliches Versagen

Wer also informiert sein wollte, der konnte dies sein, wenn er nur seine Fernbedienung benutzte oder gleich ins Netz abwanderte. Doch das kann keine Ausrede für das Versagen von ARD und ZDF sein.

Jeder Haushalt wird zur monatlichen Abgabe von derzeit 17,50€ für den Rundfunkbeitrag gezwungen. Dafür kann man dann auch erwarten, daß die öffentlich-rechtlichen Sender ihrem Auftrag gerecht werden. Die Information über aktuelle politische Vorgänge, die eine gehörige Auswirkung auf Deutschland haben können, gehört eindeutig zu diesem Auftrag.

Die Türkei ist Nato-Mitglied und liegt in einer politisch äußerst instabilen Region. Der – zwar demokratisch gewählte- Präsident Erdogan gefällt sich in immer mehr diktatorischen Ausfällen. Die deutsche Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD ist mit der Türkei einen – moralisch und politisch zu verurteilenden – Deal zur Eindämmung der Flüchtlingsbewegungen eingegangen ist. Und zur Zeit des Putschversuches hielten hunderttausende deutsche Touristen in dem Land auf, die jederzeit zu Opfern einer militärischen Auseinandersetzung werden könnten. All dies hätte eine sofortige, aktuelle Berichterstattung über die Lage in der Türkei notwendig gemacht.

Dieser Aufgabe sind ARD und ZDF nicht gerecht geworden. Dieses Versagen muß detailliert aufgeklärt und für die Zukunft ausgeschlossen werden. Sonst kann man die ÖR-Sender gleich dichtmachen.

 

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2 Kommentare

  • Ich habe das anders erlebt: Erste Ankündigung in den Tagesthemen über den anlaufenden Putsch. Was ich dann bei den Privaten gesehen habe: Bilder ungesicherter Herkunft. Bis zum nächsten Tag dann überall nur Spekulationen.

    Im Grunde halte ich die ganzen „Brennpunkt“-Sendungen für überflüssig. Nichts genaues weiß man nicht, garniert mit „Experten“ die Ferndiagnosen stellen. Ich jedenfalls ärgere mich jedesmal, wenn ich mal wieder bei einem dieser „Brennpunkte“ hängen geblieben bin. Das ist Pseudo-Aktualität. Informiert fühle ich mich dadurch nicht.

    Besonders ärgerlich finde ich, wieviel Raum inzwischen die aus dem Internet zusammengesuchten „Reaktionen“ einnehmen. Der Erkenntnisgewinn ist gleich Null.

  • Timo Knipping

    Ich kann da nur zustimmen, dass ARD und ZDF verschlafen haben. Während CNN, N24 und N-TV flott waren, sah man bei ARD und ZDF nur wenig darüber. Und bei Nachrichten aus dem Internet – insbesondere in den sozialen Medien – darf man sich nicht immer verlassen. Da sind nicht nur journalistischen Nachrichten verbreitet.