Zigeunersoße: Der ganz alltägliche Rassismus

Sinti und Roma fühlen sich gekränkt. Der „normale Deutsche“ versteht nichts.

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Dieses Jahr kommt es knüppeldick für „Otto Normalverbraucher“. Erst will man ihm Schnitzel, Currywurst und Co. wegnehmen und einen Veggie Day einführen, und jetzt geht es auch noch um die dazugehörige Sauce. Kein Zigeunerschnitzel mehr, das ist eindeutig zu viel. Da kocht die Volksseele buchstäblich über.

Grund für die Magenverstimmung ist der Einwand des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, man möge doch endlich den Begriff „Zigeunersoße“ aus dem alltäglichen Wortschatz tilgen. Und gleichnamige Produkte umbenennen, beispielsweise in Paprikasauce.
Das Wort „Zigeuner“ wird spätestens seit der Nazizeit in Deutschland als Verunglimpfung der Sinti und Roma verstanden. Und noch heute wird es von Rechtsextremen so benutzt. Allzu verständlich die Forderung, daß dieses Thema endlich auf den Tisch gehört.

Beim Wort „Neger“ hat man ja auch schon vor einigen Jahren einen Schlußstrich gezogen und dementsprechende Produktnamen geändert. Man fragt sich also, warum das nicht auch bei anderen Bezeichnungen, die einfach so dahergesagt und benutzt werden, längst geschehen ist. Doch das ist in Deutschland offenbar nicht so einfach möglich.

Wer wissen möchte, wie der „normale Deutsche“ wirklich tickt, sollte sich die Kommentare zu dieser Meldung bei Spiegel Online durchlesen. Da werden ganz locker – ohne böse Hintergedanken versteht sich – sämtliche Klischees und Vorurteile des intelligenzbefreiten Mitteleuropäers bedient. Hier nur einige Beispiele, die exakt so bei Spiegel Online als Kommentare abgegeben wurden (Rechtschreibfehler inklusive):

Wann werden sich die Jäger fordern, den Namen „Jägerschnitzel“ zu ändern?

Dann auch bitte keine Deutschländer-Würste mehr, Mozart-Kugeln usw.

Dann bitte auch keine Hamburger, Berliner, Frankfurter, Nürnberger und Thüringer mehr!

Also jetzt mal die ganze Speisekarte durchsuchen, Jägersosse, Berliner, Amerikaner, China Reis, Pizza Napoli, usw

Diese political correctness geht einem mächtig auf den Sender. Bücher werden umgeschrieben, Befindlichkeiten werden angemeldet. Affig sowas. Zigeunersauce steht für ein Erlebnis im positiven Sinne, Negerküsse ebenfalls. Himmel nochmal…

Also später im Supermarkt gibt es folgenden Dialog: „Hallo! Bei mir wurde die Wohnung ausgeräumt und das Auto geklaut, haben Sie die Täter als Sosse?“ Mir bleiben einfach nur die Negerküsse im Hals stecken!

Bei allem Verständnis ich bin sehr dafür, auf Gefühle Rücksicht zu nehmen. Aber das ist mit Verlaub kaum Ernst zu nehmen. Bei keinem Menschen werden tatsächlich negative Assoziationen wach, wenn er zum Zigeunerschnitzel greift. Ich denke im Übrigen nicht, daß der Begriff Zigeuner heute noch negativ besetzt ist.

Daß das Wort „Zigeuner“ von den Betroffenen als Beleidigung verstanden und von Rechten so benutzt wird, will oder kann man nicht verstehen. Oder leugnet es ganz einfach. „Rassist? Ich doch nicht!“ Ist ja auch so viel einfacher. Nur nicht für die Betroffenen.

Den Vogel schießt dieser Kommentar ab:

Dass es den Begriff „Negerkuss“ nicht mehr geben soll ist mir neu. Wie lautet denn der Neue? Mir aber eh egal, das waren und sind für mich einfach nur „Mohrenköpfe“.

Sollte mal irgendjemand im Ausland auf die Idee kommen, ein Leberkäsebrötchen als „Nazi-Burger“ zu verkaufen, da stände der Untergang des Abendlandes unmittelbar bevor und BILD würde Amok laufen. Aber man ist ja selbst nicht betroffen und kann gemütlich weiter grasen.

Die große Mehrzahl der Deutschen will jeden Tag ihr Schnitzel essen, es muß nur schön billig sein, ein Bierchen trinken und Fußball glotzen. Da kann die Welt untergehen, der Deutsche ist glücklich.
NSA, PRISM, Überwachung. War da was? Angi wird’s schon richten. Und ich hab ja nichts verbergen und das Pin-up von Seite 1 hoffentlich auch nicht. So ticken wohl mehr Deutsche als man befürchtet.

Da wiederum könnte einem wirklich schlecht werden. Und das völlig unabhängig von der verwendeten Sauce.

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10 Kommentare

  • Matthias

    Was viele Gutmenschen nicht verstehen, weil es ihnen anscheinend an Allgemeinwissen fehlt: Sie bedienen sich der gleichen Methoden wie die Nazis.

    Wörter verbieten, weil sie nicht in das eigene ideologische Weltbild passen, Denkverbote aussprechen, Boykottaufrufe, Andersdenkende ausgrenzen. Was Vegetarier AH nicht gewagt hätte, wagen sich heute Gutmenschen: Den Bürger vorzuschreiben, was auf den Teller gehört.

    Ich warte darauf, dass die Forderung auf den Tisch kommt, Abbildungen von Schweinen zu verbieten, weil sich Moslems dadurch beleidigt fühlen könnten. Weit hergeholt? Nein, der Londoner Bürgermeister hat dies angeordnet.

    Darauf ein Weissbier, solange man noch Alkohol genießen darf.

  • Was das weitere Verwendendürfen von Beleidigungen mit persönlicher Freiheit zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht.
    Und das „Argument“ AH ist geschmacklos.

  • Matthias

    1. Zigeuner ist nicht beleidigend. Vielmehr ist er ausserhalb des deutschen Sprachgebrauchs teilweise die einzige Bezeichnung für diese Bevölkerungsgruppe, die Zigeuner im übrigen auch als Eigennamen gebraucht hat.
    2. Mit dieser Argumentation – haben die Nazis schon genutzt – dürfte man erst recht das Wort Jude nicht mehr nutzen.
    3. Auf Geschichtsfakten hinzuweisen ist anscheinend nur „geschmacklos“, wenn man diese für die eigene Argumentation nutzen kann.
    4. Scheint mir dies ein Vorgefecht gegen die aufkommende Diskussion zu sein, nachdem hauptsächlich Zigeuner aus Osteuropa in das deutsche Sozialsystem einwandern.

  • Matthias

    Zu 1 müsste es heissen > „die die Zigeuner“

  • Matthias

    Im übrigen ist „Sinit und Roma“ im Kern eine völkische Selbstbezeichnung, die auf Abstammung („Rasse“) abzielt, ganz anders als Deutscher, Bayer, oder Regensburger. Der Verband zielt also bewusst auf eine rassische Abgrenzung zu den hier lebenden Menschen. Andere anerkannte wie Minderheiten, beispielsweise die Sorben oder Dänen, definieren sich kulturell. Aber solches Wissen sprengt meist den ideologischen Tellerrand vieler Gutmenschen.

  • Flups

    Der Zentralrat der Sinti und Roma sieht in der Verwendung des Begriffs keine Diskriminierung. Es ist ein hannoveraner Verein, der sich „Forum für Sinti und Roma e.V.“ nennt und der jetzt die Große Breitseite streut.

    Ich vermute mal, die wollen im Sommerloch etwas Aufmerksamkeit für sich haben.

  • Patrick

    Hmm.. schwieriges Thema. Wenn man es mit dem Fakt der Abschaffung des „Neger“-Begriffes vergleicht ist da schon etwas dran. Aber im Grunde genommen sind „Zigeunersoße“ oder „Zigeunerräder“ schon extrem eingebürgertere Volksbegriffe… mal sehen was da raus kommt!

  • Man kann sich auch genieren… Über den Namen Zigeunersauce hat sich noch nie jemand beschwert und es ist ja auch absolut nichts diskriminierendes oder sonst was. Zigeunersauce gehört zu den meistverkaufen Saucen, dann können sie sich doch eigentlich freuen dass sie ihnen gewidmet ist oder nicht?
    so oder so – vollkommen überzogen

  • Robert

    Also der Zentralrat der Sinti und Roma ist offenbar bodenlos dumm! Zigeunerschnitzel und -Sosse sind etwas was die Leute mögen! Zu Versuchen, diese Wörter „zu tilgen“ heisst die positive Vorbelegung des Zigeuners zu vernichten. Nichts ist an dem Namen diskriminierend, genausowenig wie am „Berliener“ (Pfannkuchen) oder dem „Frankfurter“ (Würstchen). Das kann nicht ihr ernst sein!

  • @Robert: Du hast den Grund für die Empörung nicht ansatzweise verstanden.