Tortenwerfer sind Terroristen

Spanien will seine Strafgesetze verschärfen.

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Jemandem eine Torte ins Gesicht zu werfen, ist ein ziemlich gewaltfreier Weg, dieser Person sein Unbehagen über dessen Verhalten oder politische Äußerungen mitzuteilen. Das bekamen schon einige Zeitgenossen zu spüren, so bspw. Microsoft-Gründer Bill Gates auf der CeBIT oder Plagiator Karl-Theodor zu Guttenberg in einem Berliner Café. Für den Getroffenen stellt so ein Tortenwurf zwar eine ziemliche Sauerei dar, je nachdem wie hoch der Sahneanteil in der Torte ist. Trotzdem kann man das wohl als harmloseste Form der Gewalt bezeichnen, wenn man eine Torte im Gesicht überhaupt mit Gewalt vergleichen will. In Klassikern der Stummfilmzeit gehörte ein Tortenwurf zu jedem guten Gag. Stan Laurel und Oliver Hardy, besser bekannt als „Dick und Doof“, sind damit zu gefragten Stars der damaligen Zeit geworden.

Die spanische Regierung versteht da aber keinen Spaß. Innenminister Jorge Fernández Díaz legte jetzt eine Novelle des Strafrechts vor, nach der zukünftig auch friedliche Proteste als „Anschlag gegen die Staatsgewalt“ gewertet werden können. Darauf stehen dann Haftstrafen von 4 bis zu 10 Jahren. Wer im Internet, z.B. über Facebook oder Twitter, dazu aufruft, Protestaktionen zu starten, kann als Mitglied einer kriminellen Organisation für mindestens 2 Jahre in Haft genommen werden, wenn diese Proteste in Sitzblockaden oder gewaltsamen Auseinandersetzungen enden.

Die Menschen sollen mehr Angst vor dem System haben.

Diese politische Bankrotterklärung gab die Autonomieregierung Kataloniens von sich. Deren Innenminister Felip Puig war im letzten Jahr auffällig geworden, als heraus kam, daß er gezielt Zivilpolizisten in Demonstrationen einschleuste, die dann gewalttätige Aktionen anzettelten, nur damit die Polizei dann mit aller Härte gegen die echten Demonstranten vorgehen konnte. Beweisvideos auf YouTube ließ man löschen.

In Zukunft sollen Demonstrationen auf öffentlichen Plätzen wohl möglichst weitgehend verhindert werden. Praktisch alle Formen des Protestes, wie Demos, Sitzblockaden oder Protestcamps, können als schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung gewertet werden. Demonstranten werden dann als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung behandelt.
Und mancher spanische Richter dreht heute schon die Daumenschrauben an, obwohl die Verschärfung des Strafrechts noch gar nicht beschlossen ist. So müssen sich 4 Umweltaktivisten derzeit wegen eines Anschlags auf die Staatsgewalt vor Gericht verantworten. Ihr Vergehen: Sie hatten aus Protest gegen den Bau einer Schnellstraße 3 Torten auf Politiker der Regierung von Navarra geworfen.

Die spanische Regierung weiß wohl ganz genau, was in nächster Zukunft auf sie zukommen wird. Die Euro/Finanzkrise hat auch in Spanien voll zugeschlagen, die Arbeitslosigkeit, vorallem unter Jugendlichen hat beängstigende Ausmaße angenommen und die Staatsverschuldung wird zunehmend zum Problem für den ganzen Euroraum. Da auch Spanien ähnlich wie Griechenland und die Griechen kaputtgespart werden soll, fährt die Regierung eine harte Kürzungspolitik. Dagegen richtet sich der Unmut der Spanier, der in Zukunft noch anschwellen wird. Dieser allzuverständliche Protest soll durch die neuen Strafgesetze im Keim erstickt werden. Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun.

Auf ihren König brauchen die Spanier allerdings nicht zu hoffen. Der vergnügt sich in Zeiten der Krise lieber in Botswana auf Elefantenjagd. Die nicht ganz unwichtige Information, daß er Ehrenpräsident der spanischen Sektion der Umweltorganisation WWF ist, hat ihm wohl die afrikanische Hitze aus dem Schädel gebrannt.

Quellen: FTD, taz, SZ

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