Fahrverbote: Heute geht es dem Diesel an den Kragen! Oder auch nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Fahrverbote in deutschen Innenstädten.

Ganz Deutschland schaut heute nach Leipzig, und das einmal nichts mit den Umtrieben irgendwelcher rechten Spinner von AfD, Pegida und Co. zu tun. Leipzig steht heute im Fokus, weil dort das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) angesiedelt ist. Und dieses Gericht entscheidet heute über das unmittelbare Schicksal des Dieselmotors in Deutschland.

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Stickoxide

Ist schon ein absolutes Unding, daß die Autobauer hierzulande nicht mal ein 5 Euro Bußgeld bezahlen mußten, weil sie jahrelang vorsätzlich bestehende Abgasnormen mißachtet haben. Während jeder kleine PKW-Besitzer mit seinem fahrbaren Untersatz die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommt, wenn es bei diesem wegen eines defekten Kats oder der berühmt-berüchtigten Lambda-Sonde zu Problemen während der Hauptuntersuchung (gemeinhin als TÜV bezeichnet) kommt, hält die Bundesregierung unverdrossen schützend ihre Hände über die deutsche Automobilindustrie. Daß das nur mit den Arbeitsplätzen zu tun hat, glaubt wohl nicht einmal der dümmste Wähler.

Noch funktioniert allerdings die Gewaltenteilung im Lande, und so muß sich heute das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit dem Thema befassen. Konkret geht es dabei um die Stickoxide, die die Luft in den deutschen Innenstädten verpesten. Besonders die Dieselfahrtzeuge haben einen großen Anteil daran, daß die Grenzwerte für Stickoxid NOx immer wieder oder gar dauerhaft massiv überschritten werden. Die Folge davon sind Atemwegsprobleme und andere gesundheitliche Belastungen für die Bevölkerung, allen voran Kranke, Ältere und natürlich Kinder.

Deutsche Umwelthilfe

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) beklagt diese Zustände seit Jahrzehnten und führte zahlreiche Klagen vor verschiedenen Gerichten gegen die einzelnen Städte. Heute ist nun vor dem BVerwG Showdown.

Dabei geht es der DUH gar nicht darum, die deutsche Automobilindustrie zu schädigen, wie ihr immer wieder unterstellt wird. Das Gegenteil ist der Fall. Offensichtlich sind die Manager von BMW, Daimler, VW und Audi zu unfähig, um zu erkennen, welchen Schaden sie selbst ihrem Unternehmen, der deutsche Automobilindustrie und dem Standort Deutschland insgesamt zufügen. Man könnte natürlich auch kriminelle Energie unterstellen.
Fakt ist allerdings, daß Fahrzeuge, die technisch nicht in der Lage sind, Umweltauflagen und Schadstoffgrenzwerte einzuhalten, stattdessen jedoch mit Betrugssoftware und anderen Dingen versuchen, die gesetzlichen Vorgaben zu unterlaufen, nicht gerade das Ansehen von „made in Germany“ in der Welt fördern.

Wenn die Manager und deren Unternehmen es nicht mit gesunden Menschenverstand schaffen, diesen Zusammenhang zu erkennen, dann müssen sie halt vor Gericht dazu gezwungen werden. Nichts anderes macht die DUH. Nicht zu vergessender Nebeneffekt: Die Menschen in den deutschen Innenstädten können wieder aufatmen.

Die EU-Kommission sieht das seit Jahren genauso und erhöhte zuletzt merklich den Druck auf die deutsche Bundesregierung, endlich etwas dafür zu tun, daß die Luft in Deutschland besser wird. Nur deshalb kam Merkel jüngst mit der Idee des „kostenlosen Nahverkehr“ um die Ecke. Auch dabei ging es wieder nur um den Schutz der deutschen Automobilindustrie.

Bundesverwaltungsgericht

Deshalb kommt es heute vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zur Verhandlung. Dabei entscheidet das Gericht keineswegs darüber, ob ab morgen frühe deutschlandweit Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge gelten. Das kann das Gericht gar nicht. Fahrverbote sind Sache des Bundes und nicht zuletzt der einzelnen Länder und Städte.

Es geht vielmehr um die Entscheidung darüber, ob Städte Fahrverbote nach geltendem Recht und ohne eine bundesweit einheitliche Regelung anordnen können, damit endlich die Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft eingehalten werden können.

Das klingt recht trocken und das ist es auch. Es kommt aber noch juristischer: Das BVerwG entscheidet über eine Sprungrevision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Diese Länder möchten, daß die Urteile von Verwaltungsgerichten in Stuttgart und Düsseldorf, die Fahrverbote zugelassen haben, aufgehoben werden.

Mögliche Szenarien

Ob es schon heute zu einem Urteil kommt, bleibt abzuwarten. Es sind aber folgende Szenarien denkbar, wie das Gericht entscheiden könnte:

  1. Das BVerwG weist die Sprungrevision zurück. Dann wären Fahrverbote ab sofort möglich.
    Ob, wie und wann diese tatsächlich verhängt werden, müssen dann die Städte entscheiden.
  2. Das BVerwG gibt der Sprungrevision statt. Dann wären die Fahrverbote vorerst vom Tisch.
    Das Problem der unsauberen Luft in den Innenstädten wäre damit aber nicht gelöst. Die EU wird auch weiterhin auf die Verbesserung der Luft drängen.
  3. Das BVerwG verweist den Fall zurück an die jeweiligen Gerichte in Stuttgart und Düsseldorf. Damit wäre eine Entscheidung nur aufgeschoben.

Egal, wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Ende auch entscheiden wird, es bleibt dabei, daß die Luftbelastung drastisch gesenkt werden muß. In allen möglichen Szenarien zum Ausgang dieser Verhandlung kommt es auf die deutsche Automobilindustrie an. Wird sie ihrer Verantwortung gerecht und baut endlich Fahrzeuge, die in der Lage sind, alle gesetzlichen Vorgaben zu den Abgasen einzuhalten. Oder versucht sie weiterhin den Weg des geringsten Widerstandes und läßt die jeweilige Bundesregierung für sich die Steine auf dem Weg zu noch mehr Gewinnen wegräumen.

Nur ein Weg davon wird der nachhaltigere sein. Der andere wird unvermeidbar in den Untergang der deutschen Schlüsselindustrie Automobil führen.

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